Schulrudern in der Rheingauschule: Vertrieben aus dem Paradies und in der Existenz bedroht

Ein Kommentar von Ansgar Berz

Sperrung des Trainingsreviers trifft die jungen Wassersportler der Rheingauschule hart und unvorbereitet

In Geisenheim am Rhein müssen die Schulruderer nach den Sommerferien an Land bleiben. Grund hierfür ist eine Allgemeinverfügung der im rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße ansässigen Struktur und Genehmigungsdirektion Süd (SGD), die das Befahren des Naturschutzgewässers Ilmen Aue-Fulder Aue zwischen Ingelheim und Bingen von jetzt auf gleich untersagt. Den Schülerinnen und Schülern wird somit ihre Sportart genommen,weil das Rudern mit Anfängergruppen auf dem Rheinstrom an den Schifffahrtslinie mit der Berufsschifffahrt und mit Querleitwerken zu gefährlich ist. Die schützenswerte Natur dürfen sich die Wassersportler mit dem Fernglas vom Ufer aus 500m Entfernung betrachten. Sie liegt hinter einem Längsleitwerk und zwei Inseln. Der jahrzehntelange Tradition des Wassersports in der Rheingauschule, die Deutsche Meister, Weltmeister und Olympioniken hervorgebracht hat, droht ein jähes Ende.

Zweifel an der Notwendigkeit und Zweckmäßig der Maßnahme

Es bestehen erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahme, die seitens der Behörde als „einzig zielführend“ dargestellt wird: mehr oder weniger seltene Vogelarten seien noch seltener geworden und es bestünde dringender Handlungsbedarf. Als Ursache für den Rückgang sieht die SGD die zunehmende Störung durch Wassersportler. Die SGD wird sicherlich fundierte Informationen und belastbare Zahlen zur wissenschaftlichen Erhebung der Bestände der Vogelarten offenlegen können, ebenso wie zur Störung (Häufigkeit und Art) durch die Wassersportler. Bei den Populationsschwankungen im Beobachtungsgebiet wird sie die Störungen durch Wassersportler von anderen, natürlich vorkommenden biotischen und abiotischen Einflussfaktoren wie klimatischen Änderungen, geändertes Zugverhalten von Zugvögeln, wechselnden Wasserständen im Auengebiet oder das Nahrungsangebot abgrenzen können. Auch wird sie erklären müssen, weshalb eine Änderung der Regeln notwendig ist anstelle der konsequenten Kontrolle und Durchsetzung der Regeln, die bereits seit 1975 bestehen und 1991 nachgeschärft wurden. Konkret nachgefragt: Wie viele Verstöße sind jährlich vom wem beobachtet und in welcher Form geahndet worden? Denn nur so könnte ein Argument entstehen, weshalb die Vollsperrung für alle Wassersportler unumgänglich ist. Von anderen Tiergruppen außer Vögeln oder seltenen Pflanzen ist in der Allgemeinverfügung nicht die Rede, was den Eindruck einer sehr einseitigen Betrachtung der Natur derer erweckt, die sich offensichtlich als die Anwälte der Natur betrachten. Besteht ein Monitoring bei Pflanzen- und beispielsweise Fischarten?

Organisierter Wassersport ist Umwelterziehung

Aus der pädagogischen Perspektive ist es ein klassisches Eigentor für den Naturschutz. In den Schulen findet die Umwelterziehung der Heranwachsenden statt. Ein Ausflug in die „echte“ und „unberührte“ Natur kann durch Biologieuntericht im Klassenraum, das Zeigen von Naturfilmen und Zoobesuche (= Tiere und Pflanzen in einer künstlichem Umgebung) nicht ersetzt werden. Wer die Umwelt schützen möchte, der muss den Menschen in den Naturraum mitnehmen und darf ihn nicht aus der Natur aussperren.

Nur wer die Schönheit der Natur erfahren und erleben kann, wird letztendlich auch bereit sein, sie zu achten, zu pflegen und schützen. Nicht motorisierter Wassersport ist unter Einhaltung von Regeln so naturverträglich wie Wandern, sofern man auf den ausgewiesenen Wegen bleibt, keinen Müll hinterlässt und keinen Lärm macht. In Schulen und Vereinen organisierter Wassersport vermittelt aus Eigeninteresse Verhaltensregeln zum Erhalt des Trainingsreviers. Die Naturverbundenheit der Geisenheimer Wassersportler ist vorhanden. Sie zeigt sich beispielsweise in der Bezeichnung ihrer Boote mit heimischen Tiernamen wie Rotauge, Milan oder Eisvogel.

Lösungsansätze finden und umsetzen

Andere Naturregionen wie der Nationalpark an der Mecklenburger Seeplatte zeigen längst, wie man Sport und (sanften) Tourismus mit dem Naturschutz in Einklang bringen kann: Es werden streng geschützte Bereiche und Nutzungszeiten ausgewiesen. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Bereiche, in denen der Mensch die Naturschutzgebiete betreten und erleben kann. Ranger und Infotafeln, die auch beim Zugang von der Wasserseite her zu sehen sind, informieren über den Schutzwert und die Verhaltensregeln zur Erhaltung des Schutzgebietes. Der Fischadler, der das Naturschutzgebiet Ilmen Aue-Fulder Aue als Rastplatz in das Winterrevier nutzen soll, zieht dort erfolgreich seinen Nachwuchs groß. Viele der in der Allgemeinverfügung genannten Arten wie der Eisvogel stören sich nicht an der Anwesenheit des Menschen und sind auch in intensiv genutzten urbanen Lebensräumen wie dem Schiersteiner Hafen anzutreffen.

Mitnichten ist daher die ganzjährige Vollsperrung für Wassersportler verhältnismäßig. Mildere Mittel sind durchaus möglich. Entgegen der Behauptung in der Allgemeinverfügung, es gäbe „keine zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses“, sind die Sportausübung und paradoxerweise gerade die Umwelterziehung gute Gründe für bessere Lösungen als die Vollsperrung.

Wir wünschen den Geisenheimer Wassersportlern, dass der Naturschutz aus den genannten Gründen die Allgemeinverfügung ebenso unverzüglich aufhebt, wie sie veröffentlicht wurde. Und dass im Anschluss Gespräche mit allen Beteiligten geführt werden, wie echte und nachhaltige Verbesserungen zum Schutz der Natur erreicht

werden können.

Weitere Artikel:

https://www.faz.net/aktuell/sport/rhein-main-sport/ruderverbot-auf-dem-rhein-naturschutzbehoerde-gegen-wassersportler-19935191.html

https://www.rheingau-echo.de/nachrichten/region/rheingau/wassersportler-naturschutzgebiet-verbannt-id87560.html

Informationen zum Autor:

Ansgar Berz hat in der Schulruderriege der Rheingauschule in Geisenheim gerudert, ist seit fünfundzwanzig Jahren als Übungsleiter in Geisenheim tätig, Sport- und Biologielehrer in Wiesbaden.